Leipziger Staatsanwaltschaft ermittelt gegen knapp 170 Fans von Chemie und Lok

Massive Gewalt, eine Spielunterbrechung und verletzte Polizisten: Die Partie zwischen Chemie und Lok Leipzig im Mai 2022 wirkt noch immer juristisch nach, etliche Verfahren dauern an. An diesem Wochenende steht das nächste Derby ins Haus.

Böller krachten, verfeindete Fans gingen aufeinander los, Polizeibeamte wurden mit Baumaterialien, Tischen sowie Stühlen beworfen und verletzt: Das Derby zwischen der BSG Chemie und dem 1. FC Lok Leipzig am 7. Mai 2022 in Leutzsch ging als ein weiteres Skandalspiel in die Geschichte des Leipziger Fußballs ein. Ganze 17 Minuten war die Partie unterbrochen, auch nach Abpfiff kam es zu erschütternden Szenen.

Während an diesem Sonntag im Alfred-Kunze-Sportpark beide Traditionsvereine erneut aufeinandertreffen, ist die juristische Aufarbeitung des letzten Duells an gleicher Stelle noch längst nicht abgeschlossen. Nach LVZ-Informationen gab und gibt es knapp 170 Ermittlungsverfahren gegen Tatverdächtige aus beiden Fanlagern.

82 Verfahren unter anderem wegen schweren Landfriedensbruchs

Allein 82 Verfahren (Stand 10. November) führt die Staatsanwaltschaft gegen Beschuldigte, „die mutmaßlich dem Umfeld der Anhängerschaft der BSG Chemie Leipzig zuzuordnen sind“, teilte Behördensprecher Andreas Ricken auf Anfrage mit. In diesen Fällen geht es unter anderem um den Tatverdacht des schweren Landfriedensbruchs.

Bei der Hälfte dieser Verfahren ist bereits Anklage zum Amtsgericht erhoben worden. Ein erster Prozess soll am 12. Dezember stattfinden, weitere Verhandlungstermine gibt es noch nicht. Mangels hinreichenden Tatverdachts stellte die Staatsanwaltschaft eines der 82 Verfahren ein. Ein weiteres wurde zumindest vorläufig eingestellt, da der aktuelle Aufenthaltsort des Beschuldigten unbekannt ist. Ob in den übrigen 41 Verfahren Anklage erhoben wird, steht noch nicht fest.

18 offene Verfahren gegen Fans des 1. FC Lok

Acht weitere mutmaßliche Chemie-Fans befanden sich wegen Verstoßes gegen das Vermummungsverbot im Fokus der Ermittlungsbehörden. Wie Staatsanwalt Ricken erklärte, stehen diese Verfahren „nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit den gewalttätigen Ausschreitungen gegen Polizeibeamte“. In sieben Fällen wurde ein Strafbefehl beantragt, wobei ohne mündliche Hauptverhandlung meistens Geldstrafen ergehen. Ein Verfahren stellte die Staatsanwaltschaft ein, da sich der Anfangsverdacht nicht erhärtete.

Ein zweiter Ermittlungskomplex richtet sich gegen Verdächtige, welche der Fanszene von Lok zugerechnet werden. In diesen 74 Fällen geht es um Verstöße gegen das Vermummungsverbot. 40 Verfahren sind bereits rechtskräftig abgeschlossen, endeten mit Geldstrafen. 16 Verfahren wurden eingestellt, etwa gegen Auflagen oder mangels Tatverdacht. Noch offen sind 18 Fälle: Hier erhob die Staatsanwaltschaft Anklage oder beantragte Strafbefehle, allerdings hat das Amtsgericht noch nicht entschieden.

Ermittlungsgruppe, Fahndung und Razzia

Zumal es bei zwei dieser Verfahren zusätzlich um versuchte gefährliche Körperverletzung durch Abbrennen von Pyrotechnik geht. Böllerwürfe im Stadion führten zu drei weiteren Anklagen gegen Lok-Fans. Ein viertes Verfahren in diesem Zusammenhang musste eingestellt werden – kein Tatverdacht.

Nach den massiven Ausschreitungen am 7. Mai vorigen Jahres hatte die Polizei eigens eine Ermittlungsgruppe gebildet. Sie setzte auf eine umfassende Öffentlichkeitsfahndung und gab Bilder von mehreren Dutzend unbekannten Tatverdächtigen heraus. Bei einer Razzia in der Fanszene von Chemie stellten Beamte im September 2022 Mobiltelefone, Speichermedien, Bekleidungs- und Vermummungsutensilien sowie Hieb- und Stoßwaffen, Drogen und Pyrotechnik sicher.

Einige Beschuldigte mussten auf richterliche Anordnung sogar einen Mundhöhlenabstrich über sich ergehen lassen – zur Feststellung des DNA-Musters und zur Identitätsfeststellung in zukünftigen Strafverfahren. Diese Maßnahme hatte das Landgericht Leipzig allerdings im Dezember 2022 in zwei Beschlüssen als rechtswidrig eingestuft.


DNA-Proben nach Leipziger Derby: Landgericht weist Staatsanwaltschaft in die Schranken

Die Staatsanwaltschaft Leipzig hatte im Nachgang des Derbys zwischen BSG Chemie und 1. FC Lok unter anderem DNA-Proben von einigen Fans entnehmen lassen. Die gingen nun vor allem gegen die Speicherung dieser Daten vor – und bekamen Recht.

Vier Monate nach den Auseinandersetzungen während des Derbys zwischen der BSG Chemie Leipzig und dem 1. FC Lok im Alfred-Kunze-Sportpark durchsuchten Staatsanwaltschaft und Polizei am 14. September über zwanzig Wohnungen, eine Garage und einen Geschäftsraum. Betroffen waren insgesamt 20 Personen. Danach meldete die Polizei: „Bei 13 Beschuldigten wurde auf richterliche Anordnung die Durchführung eines Mundhöhlenabstrichs zur Feststellung des DNA-Musters und zur Identitätsfeststellung in zukünftigen Strafverfahren realisiert.“

Das Landgericht Leipzig hat nun in zwei aktuellen Beschlüssen diese Form der DNA-Abnahme als rechtswidrig eingestuft, wie das Rechtshilfekollektiv (RHK) der BSG Chemie am Freitag mitteilte.

Die präventiv vorgenommene Probenentnahme ist deshalb so gravierend, weil „das gewonnene Profil nicht nach Abschluss des Verfahrens gelöscht, sondern für lange Zeit in einer Datenbank gespeichert wird“, so das RHK. Gegen diese Form der Speicherung gingen zwei Chemie-Fans mit ihren Anwältinnen vor. Die argumentierte: Beide Fans hatten sich in der Vergangenheit nicht auffällig verhalten. Eine mögliche künftige Gefahr sei deshalb nicht zu erwarten. Das Vorhalten der DNA-Profilen sei somit unbegründet.

Das Gericht folgte dieser Argumentation, da die nach Paragraph 81g der Strafprozessordnung präventive Maßnahme in die Grundrechte der informationellen Selbstbestimmung eingreife. Die Pressesprecherin des RHK, Miriam Feldmann, zeigte sich im Anschluss erleichtert. „Der für die Ermittlungen zuständige Staatsanwalt hat jedes Maß an juristischer Wirklichkeit verloren. Ganz offensichtlich treibt ihn ein problematischer Verfolgungseifer, der mit strafprozessualen Realitäten nichts mehr zu tun hat. Hier hat sich jemand ein politisches Feindbild erschaffen, hier agiert eine Staatsanwaltschaft mit Methoden, die man gemeinhin als unseriös bezeichnen kann“, lautet ihr Kommentar.


Derby-Krawalle bei Chemie Leipzig: Erste Hinweise auf unbekannte Täter

Knapp eine Woche, nachdem die Polizei Fotos von unbekannten Fußball-Gewalttätern veröffentlicht hat, liegen erste Hinweise vor. Auch die MDR-Sendung „Kripo live“ berichtete über die Fahndung nach den Chaoten.

Einige Tatverdächtige trugen Sonnenbrillen oder waren vermummt, andere hingegen sind ziemlich gut zu erkennen: Nach den schweren Derby-Krawallen von Fans der BSG Chemie Leipzig im Mai dieses Jahres setzt die Polizei auf eine umfangreiche Öffentlichkeitsfahndung. Bilder von 39 bislang unbekannten Tatverdächtigen stehen seit vorigen Mittwoch online. Zudem berichtete die MDR-Sendung „Kripo live“ am Sonntag über die Ermittlungen. Inzwischen prüft die Polizei erste Anhaltspunkte zu den gesuchten Männern, teilte die Polizei am Montag auf LVZ-Anfrage mit.

„Es sind erste Hinweise eingegangen, denen jetzt nachgegangen wird“, sagte Polizeisprecher Chris Graupner. Eine konkrete Zahl nannte er nicht, aber es seien bislang eher wenige Hinweise. Daher hoffe die Polizei, dass sich weiterhin mögliche Zeugen melden.

Video zeigt enorme Gewaltbereitschaft

Am 7. Mai griffen mehr als 100 Gewalttäter aus der Fanszene von Chemie gegen Ende der ersten Halbzeit des Regionalligaspiels ihrer Mannschaft gegen den 1. FC Lokomotive Leipzig eingesetzte Polizeikräfte an. Sie attackierten die Beamten mit im Stadion gelagerten Baumaterialien, Tischen, Stühlen und anderen Gegenständen. Ein Video, das bei „Kripo live“ zu sehen war, dokumentiert die enorme Gewaltbereitschaft. Acht der 400 eingesetzten Polizisten wurden nach Behördenangaben durch die Angriffe verletzt. Schon zuvor hatte die Polizei das Derby als Risikospiel eingestuft: „Das Spiel wird in eine Kategorie eingeordnet, bei der von Gewalttaten, von Ausschreitungen schon ausgegangen wird und mit denen zu rechnen ist“, hieß es seitens der Ordnungshüter.

Nach den Ausschreitungen bildete die Polizei eine Ermittlungsgruppe. Es geht um massive Tatvorwürfe: Gemeinschaftlicher schwerer Landfriedensbruch, gefährliche Körperverletzung, tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte, Verstoß gegen das Vermummungsverbot. Parallel mit der Veröffentlichung des Fahndungsaufrufs rückten Einsatzkräfte am vergangenen Mittwoch bei 20 verdächtigen Chemie-Fans an, durchsuchten 21 Wohnungen, eine Garage sowie einen Geschäftsraum.

Razzia gegen bekannte Tatverdächtige

Die Ausbeute der Razzia: zahlreiche sichergestellte Mobiltelefone, Speichermedien, Bekleidungs- und Vermummungsutensilien als mögliche Beweismittel. Auch Hieb- und Stoßwaffen, Drogen, Pyrotechnik, Farbspraydosen und Schablonen für Graffiti wurden gefunden. 14 Beschuldigte wurden erkennungsdienstlich behandelt. 13 mussten auf richterliche Anordnung sogar einen Mundhöhlenabstrich über sich ergehen lassen – zur Feststellung des DNA-Musters und zur Identitätsfeststellung in zukünftigen Strafverfahren, wie es hieß.

Die Durchsuchungsmaßnahmen hätten dazu beitragen sollen, Ermittlungsverfahren gegen bereits bekannte Tatverdächtige voranzutreiben, erläuterte die Polizei. Zu Details machte die Behörde knapp eine Woche nach der Razzia aber keine Angaben, da die Verfahren noch andauern würden, wie es hieß.


 

Razzia in Fanszene: Polizei stellt Handys und DNA-Proben sicher

Die Polizei hat am Mittwoch die Wohnungen und Büros von 20 Fans der BSG Chemie Leipzig durchsucht. Die Ermittlungen stehen im Zusammenhang mit den Krawallen beim Derby im Mai gegen Lok.

Es geht um die schweren Krawalle beim Derby der BSG Chemie und Lok Leipzig im Mai dieses Jahres: Bei mehr als 20 Durchsuchungen in Leipzig und Umgebung ist die Polizei am Mittwochmorgen gegen mutmaßliche Gewalttäter vorgegangen. Die Beamten sicherten DNA-Proben und zahlreiche mögliche Beweismittel. Ermittelt wird wegen des Tatvorwurfs des gemeinschaftlichen schweren Landfriedensbruchs und der gefährlichen Körperverletzung sowie wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte und Verstoßes gegen das Vermummungsverbot.

Es war am 7. Mai dieses Jahres, als mehr als hundert teilweise Vermummte aus der Fanszene von Chemie gegen Ende der ersten Halbzeit des Regionalligaspiels ihrer Mannschaft gegen den 1. FC Lokomotive Leipzig auf eingesetzte Polizeikräfte losgingen. Nachdem die Polizei im Zusammenhang mit einer videografischen Identifizierung von mutmaßlichen Straftätern aktiv geworden war, attackierten Einige die Beamten mit im Stadion gelagerten Baumaterialien, Tischen, Stühlen und anderen Gegenständen. Acht Polizisten wurden nach Behördenangaben durch die Angriffe verletzt.

Ermittlungsgruppe nach Derby-Krawallen gebildet

Im Zuge der Fußballkrawalle wurde bei der Polizei eine spezielle Ermittlungsgruppe gebildet. Schon vor der Razzia waren einzelne Beschuldigte aus dem Fanlager von Chemie identifiziert und „strafprozessualen Maßnahmen unterzogen worden“, berichtete die Polizei. Mit richterlichen Beschlüssen rückten nun Beamte aus und durchsuchten am Mittwoch in Leipzig und Umgebung insgesamt 21 Wohnungen, eine Garage sowie einen Geschäftsraum von 20 Beschuldigten sowie von zwei Personen, gegen die kein Tatverdacht vorliegt.

Sie stellten vor allem Mobiltelefone, Speichermedien, Bekleidungs- und Vermummungsutensilien sicher. Diese könnten als Beweismittel für die Ermittlungen von Bedeutung sein, hieß es. Bei einigen Verdächtigen fanden die Ermittler zudem Hieb- und Stoßwaffen, Drogen, Pyrotechnik, Farbspraydosen und Schablonen für Graffiti. Hier werde von der Staatsanwaltschaft die Einleitung entsprechender Ermittlungsverfahren geprüft, so die Polizei.

Insgesamt 14 Beschuldigte wurden erkennungsdienstlichen Maßnahmen unterzogen. In 13 Fällen machte die Polizei auf richterliche Anordnung auch einen Mundhöhlenabstrich zur Feststellung des DNA-Musters und zur Identitätsfeststellung in zukünftigen Strafverfahren.

Neben schwerem Landfriedensbruch geht es auch um einen Übergriff auf einen Lok-Fan am Abend des 7. Mai. Nach Polizeiangaben überfielen mehrere mutmaßliche Chemie-Fans im Stadtteil Probstheida einen Mann und raubten ihm unter anderem dessen Geldkarte. Später zahlten die Täter damit in einem Lokal in der Südvorstadt. Auch in diesem Fall kam es am Mittwoch zu Durchsuchungsmaßnahmen. Die Ermittlungen wegen Raubes und gefährlicher Körperverletzung richten sich bislang allerdings gegen Unbekannt.

Strafbefehle auch gegen Fans von Lok Leipzig

Bei der Razzia standen vor allem Verdächtige aus der Fanszene von Chemie Leipzig im Fokus. Aber auch gegen Lok-Anhänger wurden den Behörden zufolge Ermittlungsverfahren eingeleitet, vor allem wegen Verstoßes gegen das Vermummungsverbot. Die Staatsanwaltschaft hatte bereits gegen vier Lok-Fans beim Amtsgericht den Erlass von Strafbefehlen beantragt, ein Strafbefehl ist schon rechtskräftig. Zudem durchsuchten Beamte am Mittwoch die Wohnung eines Lok-Anhängers. Der Tatvorwurf: versuchte gefährliche Körperverletzung, vor allem durch das Abfeuern von Pyrotechnik in Richtung des gegnerischen Fanblocks.

Die Ermittlungsbehörden gaben sich nach dem Einsatz optimistisch, dass durch die sichergestellten Beweismittel auch weitere mutmaßliche Gewalttäter enttarnt werden können. Um die Identität von insgesamt 39 Unbekannten zu ermitteln, veröffentlichte die Polizei inzwischen einen umfassenden Fahndungsaufruf mit Bildern von Verdächtigen.